Dennoch passt das Thema recht gut gerade.
Selbstbewusstsein. Stress. Und nun Achtsamkeit. Drei Begriffe, die derzeit häufig in Artikeln behandelt werden und auch ich möchte mich nun mit dem dritten Begriff, der Achtsamkeit, heute ein wenig beschäftigen. Was bedeutet Achtsamkeit? Auf andere zu achten? Auf mich zu achten? Auf die Umwelt zu achten? Was heißt dieses Achten überhaupt?
Die klaren Vorteile von Achtsamkeit können Entspannung oder eine gewisse Gelassenheit sich selbst oder dem Leben gegenüber darstellen – und das ergibt schon die Schwierigkeit daran. Gezwungen achtsam durch die Welt zu gehen, wird genau Gegenteiliges bewirken. Man möchte zu viele Eindrücke speichern und alles auf einmal genießen. Achtsamkeit an sich bedeutet vielleicht nicht sofort Entspannung, Achtsamkeit bedeutet vielleicht auch nur den Weg dorthin.
Früher brauchte man für all diese ruhigen Momente keine Begriffe und Kategorien. Heute möchten wir alles klassifizieren, Modewörter daraus schöpfen und im Endeffekt vielleicht sogar Geld damit machen. Aber Leute, für Achtsamkeit braucht ihr kein Budget. Ihr braucht nur wieder jene Momente, die ihr sowieso schon oft erlebt habt und vielleicht erst im Nachhinein zu schätzen wusstet, und somit stimmt die Achtsamkeit in Bezug auf die Gegenwart auch nicht ganz. Man kann auch noch immer mit der Vergangenheit achtsam umgehen, wobei das teilweise eher Richtung Nostalgie laufen wird. Im Endeffekt: Vergangenheit und Erinnerungen ja, sich immer wieder Vergangenes ins Gedächtnis zu rufen und nicht loszukommen: Nein! Das Leben spielte damals, wie heute. Nur können wir von damals nichts mehr ändern. Heute schon.
“Wir machen uns einfach nicht bewusst, dass heute die Zukunft ist, die wir uns letzten Monat versprochen haben.” (Mark Williams)
Überall herrscht Hektik, die Welt dreht sich immer schneller, schon wieder ein Monat um, ein ganzer Sommer, ein ganzes Jahr? Uns fließt die Zeit durch die zusammengepressten klammen Finger, unausweichlich und wir können nichts tun. Oder doch? Ist es durch ein achtsameres Leben möglich, die Zeit ein wenig zu verlangsamen – und wenn auch nur für den Moment?
Für mich heißt Achtsamkeit noch immer, den Fokus auf die Kleinigkeiten im Alltag setzen, sich über Begebenheiten freuen zu können, die doch eigentlich oft vorkommen und für andere ganz banal sind. Zurückschalten von dem stressigen Alltag und allen Anforderungen, denen man entgegentreten muss. Die Ziele, die wir nach viel Arbeit erreichen, nehmen wir als Erleichterung wahr, vielleicht durchströmt uns ein kleiner Anflug von Glücksgefühlen, aber das ist oft schon alles und wir stürzen uns in die nächste Aufgabe. Ein Ziel wird also nie die Erfüllung sein.
Wie wäre es aber hiermit: Einfach abschalten zu können. Genießen zu lernen, weil man sich selbst keine Zeit dafür gibt. Deshalb habe ich euch auch noch einige Punkte zusammengefasst, die einem bestimmt dabei helfen, ein wenig achtsamer mit sich selbst umgehen zu können. Ohne viel Aufwand, denn das meiste macht man sowieso schon – vielleicht eben nur nicht ganz so achtsam, wie man eigentlich könnte.
Aufwachen – Den Tag beginnen
Nicht immer der einfachste Prozess, oder? All denjenigen, die jetzt die Köpfe schütteln, weil sie sowieso leicht aus den Federn kommen, kann ich nur sagen – seid froh darüber. Ich bin eigentlich lange kein Morgenmensch gewesen, durch meinen Job läutet der Wecker jetzt aber zwischen 5.45 und 6.15 und so langsam gewöhnt man sich daran!
Mein Tipp: Gönnt euch die Zeit, die ihr zum Aufwachen braucht. Mein Körper braucht etwa 10-15 Minuten, so stelle ich mir den Wecker einfach um die Zeit vor und schalte dann ein bis zweimal auf Snooze (auch wenn viele Artikel sagen, dass dies nicht gut sei für den Körper, aber ich fühle mich wesentlich besser und das Aufstehen fällt leichter). Langsames Aufwachen, ein Ritual, das ich genieße. Empfehlenswert wäre, nicht auf das Handy zu schauen, sondern sich einfach bewusst nochmals ins Bett zu kuscheln und die letzten paar Minuten zu genießen. Unterschiedliche Dehnübungen könnten noch helfen, den Kreislauf langsam anzukurbeln.
Ich habe in letzter Zeit viele Posts zu dem Thema gelesen und andauernd stolperte ich über Tipps wie, gib dir 30 Minuten Zeit, mache das, was du gern machst, Yoga, lesen, Musik hören. Aber ehrlich? Die Zeit möchte ich mir nicht nehmen, da dies für mich bedeuten würde, noch früher aufstehen zu müssen. Am Wochenende bitte gerne, aber unter der Woche hat eben anderes Priorität. Was nicht heißen muss, dass man Zeit für sich komplett ignorieren muss. Aber wie wäre es dann mit einem Frühstück, das man am Abend schon vorbereitet hat oder die Musik im Auto / in der Straßenbahn zu hören, während man der aufwachenden Welt dort draußen einfach nur still beiwohnt.
Aufgabenbewältigung – Mails
Unsere Jobs könnten wohl alle nicht unterschiedlicher sein, deshalb lässt sich hier kaum ein Rat geben. Aber mittlerweile kommt in fast jedem eine Kontaktmöglichkeit vor, die uns oft Nerven und Zeit raubt – Mails. Ich gehöre zu den Menschen, die über 1800 angezeigte ungelesene Mails am Smartphone hat, diese Zahl ignoriere ich aber. Das ist irgendwie mein eigener blinder Fleck, der mich kaum kümmert. Gehört ihr auch zu dieser Sorte Mensch oder darf dort nie eine Ziffer stehen :)?
Auf der ersten Seite meiner drei Mailaccounts (ja, drei – Job, Blog, privat) herrscht jedoch Ordnung. Arbeitet beim Beantworten der Mails bewusst und überlegt auch, wie Geschriebenes in anderen Köpfen wirken kann – Gestik und Mimik fallen hier komplett weg. Wenn ihr die Mails beantwortet habt, versucht einen Rhythmus dafür zu finden, insofern das nicht euer Hauptberuf ist. Ich versuche mittlerweile nicht alle Stunde meine Mails zu checken, es reicht auch, wenn ich mir abends Zeit dafür nehme und dann alle beantworte – auch wenn das oft schwierig ist, weil ich sehr neugierig bin, welche Anfragen so eintrudeln könnten.
Mails können sehr störend sein, wenn man gerade andere Aufgaben bewältigt und diese Aufmerksamkeit brauchen. Eintrudelnde Nachrichten, vor allem mit Tönen unterlegt, stören nur. Das gilt auch für das Handy – aber kommen wir zum nächsten Punkt.
Handy – TV – Zeitfresser
Ich finde Achtsamkeit braucht Zeit. Zeit, die das Smartphone oft einnimmt. Was nicht heißen soll, dass Handys nicht unglaublich praktisch sind und das Leben erleichtern können. Aber was bringt und das zehnte Mal einen Feed zu aktualisieren, auf Instagram, Pinterest und Co stundenlang zu surfen und immer wieder auf die gleichen Inhalte zu stoßen? Ich liebe diese Social Media Kanäle, ertappe mich aber immer wieder, dass ich zu viel unnötige, ja gar verschwendete Zeit darauf verbringe. Besonders beim Treffen von Freunden oder der Familie versuche ich mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, wie unnötig das Handy nun ist und es absolut keinen Stellenwert haben sollte. Dann lieber auf lautlos und wegpacken!
Ich sehe das so oft, besonders schlimm empfand ich eine Situation in Sardinien. Wir gingen essen und hatten einen tollen Abend – die Handys schlummerten in den Taschen-, während neben uns eine Mutter mit ihren zwei Töchtern und dem Freund einer Tochter saß. Sie versuchte dauernd ins Gespräch zu kommen, alle drei tippten aber nur, ich sag’s euch, ausschließlich am Handy herum! Und man sah, dass es nicht einmal etwas Sinnvolles war, der Junge spielte zum Beispiel irgendein Spiel. Also: Handy raus, wenn man es braucht und auch manchmal, wenn man Zeit überbrücken möchte, aber nicht ständig!
Ein Versuch wäre es auch wert, abends nicht ständig am Handy zu kleben. Checkt nochmal eure Mails und Feeds, gebt euch limitierte Zeiten vor und dann ab ins Bett oder auf die Couch oder in die Küche, etwas Leckeres kochen, es dann genießen und das geht auch ab und zu ohne Foto :).
Tipp: Ich habe mir die Moment-App vor einigen Tagen runtergeladen, so sehe ich abends, wie viel Zeit ich tatsächlich am Smartphone verbracht habe und manchmal ist das richtiggehend schockierend.. oft ist es aber vor allem für den Blog wichtig, weil ich am Handy sehr viel dafür arbeite. Ihr seht – immer im Zwiespalt, die Balance zu finden ist wohl die Hürde, die überwunden werden muss.
Was ich mir zugute halten muss; ich schaue beinahe nie fern. Der Fernseher wird eigentlich kaum “fürs Fernsehen” verwendet, vielleicht um paar Serien ab uns zu anzusehen, aber meist ziert nur der schwarze Bildschirm den Raum. Wer also zu viel fernseht, kann sich hier die Frage stellen, welchen Stellenwert das Gesehene für einen hat. Wie wichtig sind die Inhalte, die man konsumiert und gäbe es nicht bessere Alternativen?
Aufräumen – Aussortieren
Ich habe das bereits im Stress-Post beschrieben, aber Aussortieren hilft ungemein, auch Achtsamkeit zu üben. Was brauche ich wirklich noch, was ist mir wichtig im Leben, wie definiert sich mein Leben durch meinen eigenen Besitz? Geht diese Fragen durch und arbeitet euch so von Raum zu Raum. Alles, was euch belastet oder an das ihr euch so gar nicht mehr erinnern könnt, es überhaupt einmal gekauft zu haben, kann ruhig weg. Verkauft es, verschenkt es, macht anderen eine Freude damit. Und so auch euch selbst.
Gestern erst habe ich eine kleine Kiste mit Kerzen, Zeitschriften, Büchern, Vasen und Schnickschnack in unseren Hauseingang gestellt, eine kleine Notiz dran gemacht, dass die Dinge zur freien Entnahme sind und Abends war die Kiste beinahe leer. Ich hatte solch eine riesige Freude daran, mir vorzustellen, wie sich andere darüber gefreut haben. Probiert es mal aus!
Der Platz, den ich am meisten produktiv nutze, ist bestimmt mein Schreibtisch. Der sieht leider sehr selten so aus, wie in meinem Arbeitszimmerpost. Meist ist er überhäuft mit Projekten und unterschiedlichen Materialien, für Schule, Blog und Freizeit. Und wisst ihr, meiste Zeit stört mich das gar nicht. Ich kann im Chaos, das von mir kreiert wurde, eigentlich sehr gut arbeiten. Aber an und an wird ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr weitergeht. Dann wird alles ausgeräumt, sortiert, neu geordnet. Ich kann meinen Dingen Beachtung schenken, schmeiße weg, hebe auf und befreie mich dadurch ein bisschen von der Last.
Meditationen können ebenso hilfreich sein, ich muss aber sagen, dass ich selbst mir noch keine Zeit dafür genommen habe, das so richtig zu praktizieren. Rausgefunden habe ich jedoch, dass die Calm-App hilfreich sein. Wo wir wieder bei der Frage sind: Brauche ich eine App, um Ruhe zu finden? Das müsst ihr für euch selbst beantworten. Aber nur, weil es merkwürdig klingen mag, heißt es nicht, dass es nicht gut sein kann.
Vielleicht doch noch die Wäsche waschen? Vielleicht doch noch rasch zur Post laufen? Vielleicht doch noch das Projekt XY überarbeiten? Unser Alltag ist von ineinanderfließenden Aufgaben vorgegeben und wir schwimmen von der einen in die andere.
Der Achtsamkeitsbegriff wird gerade deshalb so oft behandelt, weil wir uns immer wieder ins Gedächtnis rufen sollten, dass es wir sind – “bloß Menschen” – die allem Herr werden müssen. Vergesst nicht auf euch selbst in all der Hektik und all den Pflichten. Gebt nicht das auf, was ihr liebt, nur um euren Verpflichtungen nachzugehen. Lernt mit ihnen zu jonglieren, auch mal etwas zu vernachlässigen, was nicht oberste Priorität habt und Zeit für euch zu gewinnen.
Denn genau das ist für mich Achtsamkeit. Genießen lernen. Alte und neue Orte entdecken, Zeit nehmen, für sich, für die Liebsten, für die Welt. Mit offenen Augen zu sehen, Aufmerksamkeit zu schulen, Dinge wahrzunehmen, die wir immer sehen, aber vielleicht mal ganz anders. Gerüche. Gefühle. Farben. Formen. Altes sowie Neues.
Kommentare
Britta
Das ist ein unheimlich schöner Post. Danke dafür!!! Während ich ihn lese, sitze ich mitten im Wald, die Sonne kommt durch die Bäume. Ein Bach plätschert. Vögel singen. Während ich Kaffee trinke. Ich mach jetzt mal kein Foto und das Handy aus! Für heute genug gelesen! Danke!! LG Britta
Alizeti
Besten Dank für diesen wundervollen Beitrag!! Es zeigt einem wieder einmal, dass es wichtig ist,achtsam zu sein. Wie oft wird das vergessen.
Liebe Grüsse Alizeti
PicDame
Achtsamkeit war mein Wort des Jahres 2012, als ich nach einem Burnout ein paar Wochen in der Rehaklinik war.
…Inzwsichen hat sich mein Leben sehr verändert und ich kann Deinen Beitrag nur mit ganzem Herzen bejahen!
Viele Grüße
Birgit
Janne von meeresrauschen
Das war ein wundervoller, informativer und hilfreicher Post. Danke dafür!
Ich beschäftige mich seit geraumer Zeit mit diesem Thema, weil ich irgendwann gemerkt habe, dass ich nur noch funktioniere. Tag ein, tag aus, wie eine Maschine. Immer alles perfekt machen, hier noch dies, da noch jenes.
Doch dann ging es mit meiner Gesundheit bergab. Ich brauchte dringend eine Pause, oder besser gesagt: mehrere Pausen, ganz regelmäßig. Und genau da kam dann die Achtsamkeit ins Spiel. Wir merken gar nicht, wie selbstverständlich wir alles nehmen, dass wir unser Leben zum größten Teil gar nicht wirklich wahrnehmen.
Ich finde es toll, dass du dich mit diesem Thema beschäftigt hast und diesen tollen Post verfasst hast.
Herzliche Grüße,
Janne von meeresrauschen
Clara
So ein schöner Post zu so einem wichtigen Thema! Ich habe heute in einer bestimmten Situation an deinen Post denken müssen, weil mir zunehmend klar wird, wie wenig achtsam ich in meinem Leben zur Zeit bin. Oft bin ich abends so durcheinander, dass ich gar nicht mehr richtig zusammen kriege, was der Tag alles gebracht hat, einfach, weil es so viel ist. Ich muss dir unbedingt von der Situation erzählen!
Ich war heute in einem großen Einkaufszentrum hier bei uns in der Stadt und war mit meinem Schwager in Spe verabredet. Auf dem Weg aus dem Parkhaus, rief er mich an, um zu fragen, ob ich schon da wäre. Ich hab mich nochmal umgedreht und geschaut, welches Parkdeck ich habe, das habe ich mir auch noch gemerkt. Als ich dann nach dem Treffen zum Auto wollte, habe ich 1,5 STUNDEN (!!!!) mein Auto gesucht. Jetzt kann ich drüber lachen, aber ich war schon ziemlich verzweifelt, sodass ich irgendwann J, anrief, dass sie mich retten möge und das hat dann auch geholfen. Das Ende vom Lied war, dass ich komplett den falschen Aufgang zum Parkdeck hoch gegangen bin, ganz anders, als ich runter gekommen bin. Ich hätte gar nicht mehr sagen können, wie ich vom Parkhaus zum Ausgang des Zentrums kam, um mich zu treffen. Ich habe mich so sehr auf mein Handy konzentriert und nicht darauf, wo ich lang laufe. Erschreckend!! Oder?
Ich wünsche dir noch eine schöne Woche und sende dir eine große Umarmung,
Clara
Melly
Sehr schön zusammengefasst.
Für mich bedeutet Achtsamkeit tatsächlich hauptsächlich das Leben im Hier und Jetzt zu verbringen, nicht in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Und ich finde genau dann, wenn man das schafft, vergeht die Zeit ein kleines bisschen langsamer, weil man den Moment endlich wieder wahrnimmt und nicht irgendetwas hinterher hetzt.