Mit “turning 24” haben diese Posts im Jahr 2012 – was ein richtig richtig gutes Jahr war! – begonnen. Und nun sieben Jahre später, vergangen wie ein rascher Wimpernschlag, rasen meine Fingerkuppen fünf Tage nach meinem Geburtstag über die – noch immer gleiche – Tastatur und tippen schon “turning 31” in die Headline.
In jedem Jahr ist es eine Spur schwieriger für mich geworden, meine Gedanken zu ordnen und hier aufzuschreiben. Aber auslassen möchte ich es auch nicht, denn diese “Wörterwolken” gehören schon seit über acht Jahren zu magnoliaelectric und ein wenig Beständigkeit darf es auch in sich schnell wandelnden Zeiten wie diesen geben. Und jedes Jahr lese ich alle alten Posts nochmals – muss teilweise über meine Ausdrücke und auch oft Naivität schmunzeln, bewundere aber mein jüngeres Ich um die gekonnten Wortverbindungen und frage mich, ob man Schreiben verlernen kann. Oft habe ich nämlich das Gefühl, dass ich ein gewisses Repertoire an Sätzen, Neologismen, Metaphern in mir habe und auf jenes immer wieder zurückgreife – etwas Neues will sich nicht so recht formieren.
Dieser Post soll sich – im Gegensatz zu den anderen – gar nicht so viel mit den letzten Jahren beschäftigen, viel eher einen Rückblick auf das erste Jahr in den Dreißigern geben. Eine Art Aufzählung an Dingen, die ich gelernt habe und mich von nun an begleiten werden.
Es kommt immer anders, als du denkst
Klar, wir machen uns Hoffnungen und kreieren Vorstellungen, wie unsere Zukunft aussehen wird. Und häufig treffen diese auch im Endeffekt zu, weil man ein wenig danach lebt und mit diesen Wünschen auch gleichzeitig Wege und Möglichkeiten formt. Aber wenn ich daran zurückdenke, dass mein halb so altes Ich die Vorstellung hatte, mit 25 das Studium in Mindeststudienzeit abgeschlossen zu haben, verheiratet zu sein und zwei Kinder zu haben, reagiere ich immer mit einem Schmunzeln. Ich würde dieses Ich so gerne umarmen und ihm sagen, dass diese Zukunftsgedanken schön sind und auch wenn sie nicht der Realität entsprechen werden, ihre Daseinsberechtigung haben. Zumindest habe ich mit Anfang 30 das Studium abgeschlossen, bin schon das siebte Jahr in diesem Beruf gewesen, weil ich neben dem Studium sogar unterrichtet habe, habe magnoliaelectric geformt und belebe es seit fast neun Jahren (!) und habe auch einen Mann an meiner Seite, mit dem ich mir eine Zukunft richtig gut vorstellen kann. Es kommt anders, als man denkt – ja. Aber das heißt per se nichts Schlechtes!
Ich weiß, was mir gut tut – ich muss nur noch dranbleiben
Ich mache tatsächlich seit drei Wochen regelmäßig Sport – muss mich zwar anfangs aufraffen, bin aber danach immer sehr stolz auf mich. Und dieses Gefühl verleiht einem Superkräfte! Ich habe schon immer viel getan, parallel und alles zugleich, aber mittlerweile kann ich gut differenzieren, was mir gut tut. Ein Laster ist eben, dass ich zu wenig oft dranbleibe und Routinen nicht einhalte. Aber an diesem Lernprozess wachse ich und kann es mittlerweile viel besser benennen als in den Zwanzigern (in denen ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht habe, warum ich wie fühle und mich eher von diesen Emotionen treiben hab’ lassen).
Du kannst nicht alles haben – und selbst wenn, fehlt immer etwas
Besonders in Zeiten von Social Media und dem Posten der eigenen Highlights muss man sich immer wieder vor Augen halten, dass man die besten Momente anderer nicht mit dem eigenen Alltag vergleichen darf. Die riesige schöne pintereske Hochzeit mit tausend Lichtern in einer Scheune, das große Haus, das vermeintlich so schnell ohne Arbeit entstand mit Blick auf See, Berge oder dem riesigen Garten mit Altbaumbestand oder die riesige Wohnung in einer Metropole mit Dachterrasse, der Mann / die Frau, der/die auf einen wartet und immer frische Blumen mitbringt, die Kinder, die immer hübsch in Pastell oder Erdtönen nie angekleckert oder schreiend lächeln, die große wochenlange Reise, die nie zu enden scheint mit all den schönen Eindrücken aus dem Paradies, die Selbständigkeit oder der Job, in der/dem man schon wieder aufgestiegen ist – ihr merkt hoffentlich beim Lesen, dass das alles mit einem objektiven Blick ganz schön falsch klingt ;). Und dennoch wird uns suggeriert, dass das Leben um die 30 doch so aussehen kann (oder soll?).
Egal, was man hat – es wird, wenn man nicht darauf achtet, nie genug sein. Aber wir haben alle unser KOSTBARES Leben, das so wichtig ist und wir haben alle hoffentlich die Möglichkeit, es irgendwie so zu formen, dass es UNS dabei gut geht. Das muss man sich immer wieder vor Augen halten. Was man hat. Nicht all das, was man vermeintlich haben sollte. Dass oft wenig so ausreichend ist. Manche haben vielleicht Haus und Mann/Frau. Dafür keine Kinder. Andere haben sich selbst und einen richtig guten Job, fliegen mehrmals im Jahr weg. Manche haben vielleicht ein Kind, aber dafür keinen Partner. Man muss sich nur mal ein wenig vor Augen führen, was man hat. Mit Anfang 30 kann man das schon eher (ein)schätzen als in den 20ern. Zumindest war / ist das bei mir so.
Die biologische Uhr tickt
Der 30er war so eine Wende. Weniger für mich als für mein Umfeld. Denn plötzlich häuften sich die Fragen nach dem Nachwuchs. Immerhin sind wir schon über fünf Jahre zusammen. Wohnen in einer Wohnung mit drei Schlafzimmern (“Ach, ihr wollt keine Kinder, weil ihr zwei Büros habt?”…). Haben einen Garten mit Spielplatz davor. Sind ja aufs Land gezogen. Aber das haben wir im Vorjahr vor allem für UNS gemacht. Weil es unseren Köpfen auf dem Land besser geht als in der Stadt. Weil die Freiheit und Felder, Wälder und Wiesen das bewirken, was die Stadt uns genommen hat. Eben diesen klaren Kopf zu bekommen. Die Ruhe und auch die Zurückgezogenheit. Nach dem 30er im vorigen Sommer kam in vielen Gesprächen immer wieder die Frage auf (“..die biologische Uhr tickt!”) und jedes Mal stach sie wie eine spitze Nadel in mein Herz, das in letzter Zeit oftmals recht hormongesteuert gerne an Kinder denkt und die (romantisierte) Vorstellung davon auch recht schön findet. Aber das Thema ist einfach so privat, als dass sich irgendjemand einfach so einmischen dürfte – und warum wird die Frage vor allem Frauen so häufig gestellt? – denn R konnte meine Wut darüber nie so gut nachvollziehen, weil er damit kaum in Berührung kam. Ihr seht, hier bin ich noch immer – oder gerade jetzt mit Anfang 30 – sehr gefühlsgeladen, denn in den letzten Jahren war mir diese Frage gleichgültig, vielleicht auch, weil sie kaum gestellt wurde?
Ich kann euch nur – vielleicht stellvertretend für alle Anfang-Dreißiger – darum bitten, das Thema in jeglichen Gesprächen vorsichtig zu behandeln oder einfach sein zu lassen. Wie immer referenziere ich hier sehr gerne Nadines Post darüber – der das Ganze noch so viel genauer und besser behandelt.
Du wirst mit 30 das Gefühl haben, angekommen zu sein – oder auch nicht
Sicherer als mit Anfang 20 fühle ich mich auf alle Fälle, das kann ich, ohne mit der Wimper zu zucken, behaupten. Aber so richtig angekommen? Das schwankt sehr. An manchen Tagen bin ich so im Reinen, an anderen dominiert das Hadern, Zweifeln und Grübeln. An manchen Tagen könnte ich Bäume ausreißen (würde ich nie tun, die Armen!), an anderen komme ich fast nicht von der Couch auf und verfalle in die derzeitig herrschende Grey’s Anatomy-Sucht. Aber ich weiß mittlerweile sehr gut, was ich tun kann, dass es mir besser geht – nämlich auch die schlechten Gedanken zu akzeptieren und sein zu lassen. Sie haben ja ihre Daseinsberechtigung – aber nur bis zu einem gewissen Grad. Ich weiß immer mehr, wie ich mich davon befreien kann und mich in jene Welt zurückhole, in der es mir besser geht. Es ist einfach ein stetiger Prozess, das Ankommen. Diese Selbstakzeptanz, die irgendwann zur Selbstliebe wachsen wird. Und die Dreißiger bieten dafür eigentlich einen sehr guten Nährboden.
Besonders in Sachen Beziehung konnte ich in den letzten Jahren viel lernen – vor allem, dass es nicht dieses unangetastete Heiligtum bleiben wird, dass das verklärte Verliebtsein einen zu Beginn suggeriert. Dass Freude genauso wie Schmerz einen Anteil an diesem Wachstum zweier Personen haben. Dass besonders das Gespräch am wichtigsten sein wird, das aber auch anders verlaufen kann, als man es sich vorstellt. Dass es wichtig ist, dass zwei einzelne Leben existieren können / dürfen, aber auch viele Parallelen aufweisen. Dass die Angst vor Verlust oft der Endgegner ist, der sich bereits in frühere Spieletappen eingeschlichen hat – sozusagen ein “Mini-Boss”. Aber in all den Jahren sammelt man recht viel hilfreiches Werkzeug, um diese Hürden zu besiegen und auch wenn der Kampf schmerzhaft ist, geht man nicht immer nur verwundet daraus, sondern auch sehr häufig ganz schön gestärkt.
Insgesamt es auch nun endlich an der Zeit, milder mit sich selbst zu sein. Diesen elenden Perfektionismus abzulegen, sich zugestehen zu können, auch voller “Fehler” oder “Schwächen” zu sein, nicht immer gut und stark sein zu müssen. Sich annehmen und akzeptieren, dass man nicht alles wissen und können kann und muss. Diese Leichtigkeit im eigenen Dasein zu finden und willkommen zu heißen.
Die Zeit rast! Und mit ihr alle noch unerledigten Dinge
Eine hypothetische Annahme einiger Gedanken, die vielleicht den ein oder anderen von euch betreffen könnten: Diese Reise muss unbedingt noch sein, außerdem wirkt eine Safari in Afrika sehr verlockend und Australien steht sowieso schon lange auf der Liste, ein Gehaltssprung mehr bei deinem Job ist ausständig, dein Freund/ deine Freundin hat dir keinen Antrag gemacht / will nicht mit dir zusammenziehen / will die Beziehung vielleicht gar nicht mehr, du willst nicht mehr, nicht mehr so früh aufstehen, so spät schlafen gehen, dieses Haus, diese Wohnung, du willst umziehen, fühlst dich, als würden deine to-do-Listen immer nur gedeihen, wachsen, wuchern, aber nie wird etwas fertig? Ja. Die Zeit rast. Die Listen wachsen.
Aber vielleicht tut sie es gefühlt nur deswegen? Vielleicht haben wir es etwas in der Hand? Denn durch die stetig wachsenden Listen leben wir eher in der Zukunft und weniger im Moment – und da muss besonders ich mich an der Nase nehmen, denn ich LIEBE Listen und Planungen und Vorstellungen von etwas, das noch kommen wird. Aber häufig verklärt es auch das Jetzt. So wie gerade eben. Denn in meinem Kopf schlägt es Purzelbäume, was alles im Herbst auf mich zukommen wird, dass ich es ganz versäume mich darauf zu konzentrieren, dass noch Sommer ist. SOMMER! Im Endeffekt werde ich ihn wieder vermissen, diese freie unbeschwerte Zeit. Aber diese habe ich gerade. Also soll sie im Moment genutzt werden. Auch wenn im Nachhinein die Zeit rasch vergangen ist. Das darf auch so sein. Wenn man sie in diesem Moment gelebt hat, dann ist alles gut.
Man fühlt sich ein bisschen alt – zumindest manchmal
Wenn ich auf mein Alter geschätzt werde, ist es beinahe immer jünger als ich bin. (Danke für die Gene, Oma und Mama!) – Aber ich spüre, dass man in den 30ern körperlich älter wird als in den 20ern – vor allem dann, wenn ich Rückenschmerzen bekomme, wenn ich länger mit dem Laptop auf der Couch sitze – wie gerade eben, ich lechze schon nach der Yoga-Einheit, die ich gleich machen werde ;). Wenn ich daran denke, dass ich die 20er zuhause häufig im Bett verbracht habe (lesen, lernen, fernsehen, schreiben, essen,…), dann fühlt man, dass man doch ein wenig älter wird. Auch nach dem Fortgehen im Juni, das schon lange nicht passiert ist, habe ich einen ganzen Nachmittag mit Schlaf gebraucht, um mich davon zu erholen (und es war kaum Alkohol im Spiel ;)) – wenn ich da an früher denke, hui!
Was aber wiederum dazuführt, dass man bewusster mit sich umgeht und gesünder lebt. Es hat alles seine Vorteile.
Abschließend möchte ich hervorheben, dass ich psychisch in den letzten Jahren noch nie auf diesem Hoch war wie jetzt. Natürlich, höher geht immer. Fitter geht immer. Aber hoch ist ein guter Anfang für die 30er!
Einige Mantras zu haben, hilft in dunklen Stunden
Diese Stunden existieren noch immer ab und zu. Nicht in der Häufigkeit wie in den Zwanzigern, aber vielleicht mit einer anderen Intensität. Daher habe ich ein paar Mantras, die ich mir dann gerne vor Augen führe und abschließend auch euch hier hinterlassen möchte:
1.) Everything comes to you at the right time … be patient.
2.) We often find ourselves wishing for more hours in the day, but that wouldn’t help anything. The problem, clearly, isn’t thst we have a shortage of time. It’s more that we have an overload of everything else.
3.) Feeling you have no time doesn’t mean you have no time. Feeling you are ugly doesn’t mean you are ugly. Feeling anxious doesn’t mean you need to be anxious. Feeling you haven’t achieved enough doesn’t mean you haven’t achieved enough. Feeling you lack things doesn’t make you less complete.
4.) There is no need for you to rush. Time moves quickly, but it will not move any quicker than it’s moving right now. You’re free to slow down. To be present in this moment. Let it be the place where you find rest as you wait for what’s to come.
5.) You can be faced with uncertainty and be growing in wisdom at the same time.
6.) And perhaps even here, you can come alive right where you are.
7.) May this be the season you say goodbye to doubting yourself, choosing to believe you are worth being believed in, no matter the ones who failed to see it.
8.) While I am learning to make peace with the plans that fell apart, I am learning to breathe deep and keep an open heart to the hope-filled possibility that there is more ahead of me.
9.) Make your heart the most beautiful thing about you.
10.) Give yourself the same care and attention that you give to others – and watch yourself bloom.
Kommentare
Sarah
Liebe Stef, ich möchte einfach nur Danke sagen für diesen Beitrag. Ich werde dieses Jahr selbst auch noch 31 und dies könnte einfach mein Text sein.
Sarah
Windmeer
Herzlichen Glückwunsch nachträglich und alles Liebe!
Windmeer
Nachträglich herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und alles Liebe! 🙂
Anja
Das sind schöne Gedanken, und in vielem erkenne ich mich wieder (obwohl grade erst 29 geworden 😉
Ich lese deinen Blog mittlerweile seit 2012, das weiß ich so genau, weil ich mich erinnere ihn damals während meines Auslandsemesters entdeckt zu haben.
Es ist spannend so bei deiner Entwicklung dabei zu sein, besonders weil ich auch immer einige Parallelen zu mir selbst ziehen kann – dann wiederum ist es sehr merkwürdig so viel über jemanden zu wissen, den man gar nicht aktiv kennt. Das bringt aber natürlich mittlerweile jegliche größere social media Präsenz mit sich.
Was wollte ich jetzt eigentlich sagen?
Danke, dass du es schaffst solche Gedanken in Worte zu fassen. Danke, dass du immer noch bloggst, auch wenn instagram soviel mehr direktes Feedback bereithält. Danke, dass wir (wenn auch unbekannterweise) gemeinsam älter und reifer werden 😉
Ganz liebe Grüße aus Berlin 🙂